Corona Spirale

Wir alle kennen diese mühsamen Corona-Diskussionen in denen Frust, Unverständnis und eine grosse Prise Wut mitspielen. Meist ist es keine Wut gegen eine bestimmte Gruppe an Menschen, sondern einfach Unmut für die ganze Situation. Seit knapp zwei Jahren besteht unser Alltag aus Fallzahlen, steigender Knappheit an Intensivstations-Betten, Querdenkern, Impfgegner und einer gespaltenen Gesellschaft, sowie Missmut gegenüber allem, was anders ist.

Wir diskutieren beinahe täglich über die herrschende Situation. Bringen Argumente für oder gegen einen Entscheid, eine Massnahme oder Entscheidung und investieren vor allem sehr viel Energie. Diese Energie ist leider meist falsch platziert, denn aus persönlicher Sicht kann ich behaupten, dass ich selten eine Diskussion miterlebt oder selbst geführt habe, die zu irgendeinem befriedigendem oder erfüllendem Ende geführt hat. Meist dreht man sich im Kreis, nervt sich über die Aussagen seines Gegenübers oder gibt resigniert auf und zieht einen generellen negativen Schluss auf die ganze Situation. Es wird ständig versucht den Elefanten im Raum zu ignorieren, aber in vielen Fällen ohne Erfolg. Wie auch? Die Pandemie bestimmt unser ganzes Leben, Massnahmen und Regelungen ändern stetig und in die Zukunft schauen kann zumindest in dieser Hinsicht keiner. Kein Wunder diskutieren wir Menschen so rege und oft über das Thema und grundsätzlich sind diese Diskussionen auch wichtig; Sie helfen uns, die ungewohnte und belastenden Situation zu verarbeiten. Gespräche über die Gefühlslage und Stimmung aller, sind unbestreitbar wichtig und fördernd unsere psychische Gesundheit. Doch wenn solche Diskussionen nur auf negativen Faktoren basieren, geht es uns nachher meist schlechter als vorher. Man kommt in eine Negativ-Spirale, in der alles einfach nur schrecklich ist. Alles ist mühsam, jeder Andersdenkende hat keine Ahnung und selbsternannte Hobby-Virologen wollen dir erklären, weshalb die Maskenpflicht nichts nützen würde.

Es ist nicht einfach mit anderen Meinungen umzugehen und grundsätzlich hat es auch nicht wirklich einen grossen Effekt, sie von deiner eigenen Meinung überzeugen zu wollen. Denn fundamental erlebt jeder Mensch seine eigene Realität und konstruiert somit sein eigenes, subjektives Gedankenbild. Diese Gedankenbilder basieren auf Erlebtem und Erfahrenem, seien das Ereignisse, die die Person selbst erlebt/erfahren hat oder jemand in seinem nahen Umfeld. Wenn Du dir nun also vorzustellen vermagst, dass deine eigen konstruierte Gedankenwelt niemals deckungsgleich zu irgendeiner anderen passen wird, sollte es dir einfacher fallen, andere Meinungen eher akzeptieren zu können oder sogar nachzuvollziehen. Wenn Du nun also das nächste Mal in einer solchen Diskussion feststeckst, versuche dir diese Theorie der individuellen Gedankenstruktur vor Augen zu führen. So kannst du diesen sonst tendenziell eher kontraproduktiven Dialogen einen grossen Schritt voraus sein.

Das Gespräch zu führen und dadurch die erlebte Situation innerlich zu verarbeiten, kann jedoch auch grosse Vorteile mit sich bringen, wenn man es richtig angeht: Wir wollen nun also versuchen, euch einige Gesprächstipps darzulegen, mit der ihr die Negativ-Spirale umgehen könnt oder sie sogar in einer positive verwandeln könnt.

Gesprächstipps:

1. Versucht nicht nur das negative zu sehen: wirf die Frage in die Runde, was sich den seit oder während der Pandemie positiv verändert hat:

Einige Beispiele: neue Hobbies? Neue Errungenschaften? Was habe ich neu dazu gelernt? Neue Kontakte trotz Social Distancing? Neues an dir selbst kennengelernt? Neue Erkenntnisse?

2. Versuche dich in die Situation des anderen hineinzuversetzen. Wie oben erläutert, hat jeder sein individuelles Denken und eine eigene, subjektive Realität.

Anstatt diese abweichende Meinung als falsch oder schlecht zu werten, kannst du versuchen, sie besser nachzuvollziehen (hier eine Auswahl an möglichen Themen):

  • Frage dein Gegenüber wieso er/sie denn so denkt;

Ist irgendetwas passiert oder hat er/sie etwas miterlebt, dass dieses Gedankenmuster geprägt hat?

  • Aus welchem kulturellen Kontext stammt diese Person? Welche Werte wurden in der Ursprungsfamilie mitgegeben? Von dem Umfeld in dem sich die Person bewegt?
  • An welchem Punkt im Leben steht die Person? Welche aktuelle Lebensrealtität umgibt sie? Ein Mensch der beispielsweise aufgrund Corona seine Stelle verloren hat, hat vielleicht eine andere Sichtweise auf die Thematik als andere?
  • Welche Funktion erfüllt diese Einstellung?

    • Hilft die Einstellung beispielsweise komplexe Zusammenhänge zu verstehen, liefert sie eine einfache Erklärung?

BEISPIEL: «Mir ist diese Coronasituation zu komplex, da muss doch eine grosse Verschwörung dahinter sein. Das kann doch nicht einfach so passieren!»

  • Hilft die Einstellung ein Gefühl von Sicherheit zu erlangen?

BEISPIEL: «Wenn ich das so und so mache, dann kann mir nichts passieren.»

Oder hilft sie dabei, den Anschluss an eine Gruppe zu ermöglichen? «Wir sind halt so aufgewachsen, bei uns denken alle in der Familie so.»

Wenn wir verstehen, welch wichtige Funktion diese Einstellung für den Menschen hat, sehen wir auch welches (verständliche) Bedürfnis dahinter stecken könnte. Wir Menschen haben das Bedürfnis nach der Deckung unserer physischen Bedürfnisse, Sicherheit, soziale Zugehörigkeit, individuelle Bedürfnisse wie Anerkennung und auch den Wunsch nach Selbstverwirklichung. All diese Aspekte können mit einer speziellen Einstellung und Meinung verteidigt oder gefüttert werden.

3. Wenn irgendwelche Meinungsäusserungen oder „harte“ Fakten auf den Tisch gehauen werden, kannst du nachfragen, wie er oder sie auf diese Fakten gestossen ist:

  • Stammen sie von irgendeiner Newsplattform, wenn ja von welcher?
  • Hat er das selbst erlebt und zieht somit seine eigenen Schlüsse und bezieht sich somit auf (reines) Erfahrungswissen?
  • Wurde ihm dies von einem Freund/Bekannten weitererzählt?
  • Sind das Meinungen und Fakten, die an seinem Arbeitsplatz vertreten und verbreitet werden?Frage dich selbst, von wo deine fundierte Meinung stammt.
4. Frage dich selbst, von wo deine fundierte Meinung stammt:
  • Hast du deine Fakten von einer glaubwürdigen und seriösen Newsquelle? Und stimmen diese einigermassen mit deinem Erfahrenen und Erlebten überein?
  • Stammt deine eigene Meinung aus eigen erlebten Ereignissen oder stützt du dich auf externe Meinungen? Zum Beispiel herrschende Meinungsbilder an deinem Arbeitsplatz oder deinem nahen Umfeld?
  • Fühlst du dich gedrängt, eine bestimmte Meinung anzunehmen oder hast Angst, deine wirkliche Meinung preiszugeben?