Liebe Madame Pan-Démie

im Verschwörungsstrudel

„Liebe Madame Pan-Démie

Mein Vater sendet mir immer wieder Videos und Nachrichten mit Informationen, die ganz klar aus der Ecke der Verschwörungstheoretiker:innen kommen. Ich merke nun langsam, dass diese Nachrichten etwas mit mir anstellen und mich belasten, obwohl ich anderer Meinung bin und eher auf die Wissenschaft baue. Ich merke auch, dass diese Inhalte beginnen unsere Beziehung zu belasten. Wie kommen wir da wieder heraus?“

Delia (19)

Eins ist klar, es kann belasten, wenn jemand den ich mag, anders denkt als ich und bestimmte Einstellungen nicht teilt. Beziehungen basieren auf gemeinsamen Werten und Normvorstellungen. Das bedeutet, dass die Leute, die ich selber gerne mag, meistens auch so denken sollten wie ich. Nun ist das ja aber meistens nicht wirklich immer genau so. Es gibt Themen, die wir vielleicht mit gewissen Freunden teilen, andere Themengebiete wo wir hingegen eher kontroverser diskutieren.

Wir werden Erwachsen

Jetzt im Bezug zu deinem Vater ist es natürlich auch anstrengend, weil du je nachdem das Gefühl verspüren könntest, dass dein Vater dir gewisser Massen etwas vorleben sollte. Nach dem Motto; «Er sollte das ganze doch besser verstehen als ich selbst, er ist ja schliesslich mein Vater.» Mit dem Erwachsenwerden merken wir jedoch, dass Eltern auch nur Menschen sind, mit eigenen Vorstellungen und Handlungsweisen, die wir einfach nicht teilen. Wir sind selbst erwachsen geworden und sehen die Welt mit unseren Augen und Erfahrungen.

Steh für dich ein

Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass du für dich hin stehst und sagen kannst, was du möchtest: «Schau Papa, ich denke anders in diesem Thema, bitte höre auf, mir diese Inhalte und Posts weiterzuleiten. Es tut mir nicht gut. Das Sind Quellen, die mir ein Wissen vermitteln wollen, das mir und meiner Psyche nicht gut tut».

Schaue dir die Inhalte nicht an

Die andere Variante wäre aber natürlich auch, das Ganze einfach gekonnt zu ignorieren. Denn alles was wir uns ansehen, bleibt irgendwo in unserem Kopf hängen, auch wenn wir das nicht explizit wollen und der Inhalt der Meinung unserer nicht entspricht.

Wie Verschwörungstheorien wirken

Das ist auch ein Grund dafür, weshalb Verschwörungstheorien überhaupt funktionieren: Sie geben uns einfache Erklärungen, für Dinge, die extrem verwirren und konfus erscheinen. Verschwörungstheorien reduzieren oftmals die Komplexität, in dem sie irgendeinen grösseren Plan dahinter setzten, um die Verwirrung über die ganze Situation zu mildern. Das heisst, du darfst versuchen, dich in deinen Vater hineinzuversetzen: warum klingt das für ihn plausibel? Weshalb funktionieren diese Theorien für bzw. bei ihm? Weshalb möchte er mir das zukommen lassen?

Wie weiter?

Das heisst also: auf der einen Seite kannst du das Gespräch mit ihm suchen. Auf der anderen Seite kannst du es aber auch einfach bleiben lassen, wenn das für dich sowieso keinen Sinn ergeben und es dich einfach zu sehr belasten würde. Grenze dich ab und schaue, dass es dich sicherlich nicht mehr belastet. Das heisst du musst nicht bei jeder Quelle auf die Suche nach der grösseren Logik gehen und den Inhalt versuchen zu verstehen. Grenze dich ab, schütze dich und achte dich auf verlässliche Quellen.

 

Exkurs:

der Sleeper-Effekt

Warum bleiben solche Informationen hängen und warum ist es nicht klug, Informationen einfach in sich hinein zu saugen, wenn du den Quellen eigentlich nicht vertraust?

In der Psychologie nennt sich das: der Sleeper-Effekt

Dieser Effekt beschreibt eine Art Quellen-Amnesie. Er beschreibt einen eigentlichen Denkfehler. Immer wenn du etwas liest, dann weisst du dass du je nach Quellen diesen Informationen trauen kannst oder eben nicht.

Beispiel: du erhältst irgendeinen dubiosen Link, welcher dir weis machen will, dass Schokolade schlank macht. In diesem Moment denkst du: «Ah ja, das ist irgend so ein dubioser Link, das ist sowieso nicht wahr.» Mit der Zeit vergisst du aber, von wo du diese Information erhalten hast. Das bedeutet also, dass sich diese Information in deinem Gehirn festsetzen kann. Du hast die Information, Schokolade macht schlank abgespeichert, aber von wo du diese irreführende Info erhalten hast, ist nicht mehr präsent. Das entwickelt sich dann zu Kommentaren wie: «ja, ich habe das mal irgendwo gelesen. Irgendjemand hat mir das einmal erzählt. Das habe ich Mal im Fernsehen gesehen.» Das kennst du bestimmt. Das Risiko besteht also, dass wenn wir Informationen aufnehmen, die nicht stimmen, obwohl wir wissen, dass wir dieser Quelle nicht trauen können, besteht das Risiko, dass sich diese Informationen bei uns festsetzen. Das nennt man also den Sleeper-Effekt. Passe also auf, von wo du deinen Informationen beziehst, denn sie können kleben bleiben.

 

Protective Filtering gegen den Sleeper-Effekt

Das protective Filtering beschreibt eine Schutzstrategie, des bewussten und achtsamen Medienkonsums. Diese dient dazu, dass man Inhalte, die einem in irgendeiner Weise nicht gut tun, meidet und sich ganz bewusst seine Quellen wählt. Wenn du diese Methode anwendest, dann schaust du nicht jeden Habakuk, der durchs Netz verbreitet wird, sondern stützt dich auf verlässliche Quellen und leistets damit einen Beitrag an deine psychische Gesundheit. Viel Erfolg! Und dieser Tipp gilt auch für deine Social Wall, vielleicht einfach mal bestimmten Personen entfollowen, wenn dir der gezeigte Content auf irgend eine Weise nicht gut tut. Sei achtsam welchen Inhalten du deine Aufmerksamkeit schenkst.